Wir haben uns das Video, das RTL News teilte (oben), einmal genauer angeschaut. Die TikTokerin @it_bella isst darin einen weißen, harten Brocken Lehm. Dieser wird in den USA „african clay“, also afrikanische Tonerde genannt. Ist er weiß, spricht man von „Kaolin clay“, weißer Tonerde. Es gibt auch rote Tonerde und andere Sorten.

Die englische Bezeichnung hat etwas mit dem Ursprung des Trends zu tun: In manchen afrikanischen Ländern ist es völlig normal, dass Menschen die lehmhaltige Erde essen. Forscher:innen nennen das Phänomen „Geophagie“. Laut einem Bericht der Medizinischen Universität Wien essen 30 bis 80 Prozent der Menschen in Afrika regelmäßig Lehm. Besonders unter schwangeren Frauen sei der Verzehr beliebt.

Sie kaufen die Erde ganz normal in afrikanischen Supermärkten. So tun es auch die TikToker:innen. Auch online gibt es Stores, bei denen man die Erde bestellen kann. Die Lehmsteine sind wie Gemüse in Plastikverpackungen verpackt:

Aber warum essen die Menschen überhaupt Tonerde? Nach Aussagen von TikToker:innen schmeckt die Tonerde einfach nach Lehm, es sind keine besonderen Geschmacksrichtungen beigemischt. Forscher:innen der MedUni Wien sagen, dass Personen, die Erde essen, ein sogenanntes „Craving“ verspüren. Das bedeutet, dass sie das Bedürfnis haben, sich mit damit zu belohnen, wie mit einem Stück Schokolade. Erde-essen kann also irgendwie sogar so etwas wie süchtig machen.

Die Lehmanteile in der Erde helfen laut der Wiener Uni gegen Durchfallerkrankungen. Damit hängt sicherlich zusammen, dass man von der Tonerde Verstopfung bekommen kann, wie die TikTokerin @enisia99 berichtet. „Aber wenn du genug Wasser trinkst, wird es dir gut gehen“, lautet ihr Tipp.

Unter schwangeren Frauen sei das Erde-essen, deshalb verbreitet, weil der Lehm nachweislich gegen Schwangerschaftsübelkeit wirkt. Das berichtet Ruth Kutalek vom Zentrum für Public Health auf der Website der MedUni Wien, an der sie die Tonerde untersuchte.

In manchen afrikanischen Kulturen gelte Erde-essen sogar als „weiblich“ oder sei ein Zeichen dafür, dass die Frau schwanger sei. Mit wilden Ratschlägen für die Schwangerschaft sollten Frauen aber grundsätzlich aufpassen.

Auch Männer essen laut Kutalek übrigens immer häufiger Erde. Diese gelte nämlich auch als natürliche Stimulans, kurbele also angeblich wie Kaffee den Kreislauf an.

Es geht zu weit, zu sagen, dass Erde-essen wirklich gesund ist. In großen Mengen ist der Verzehr laut der MedUni Wien sogar bedenklich. In der Erde seien, besonders in Afrika, viele Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber enthalten. Diese giftigen Stoffe könnten Untersuchungen zufolge für Erwachsene, aber auch für ungeborene Kinder schädlich sein. Kutalek empfiehlt deshalb, das Tonerde-Essen zu reduzieren – was durch das suchtartige Craving aber nicht so einfach sei.

Trotzdem ist eine rein negative Beleuchtung des TikTok-Trends nicht gerechtfertigt. Sie offenbart eher Vorurteile der westlichen Welt gegenüber afrikanischer Kultur.

Die führen sogar so weit, dass es zu kulturellen Konflikten kommt. Auf TikTok berichtet unter anderem die Schwarze Influencerin Deborah Jolie (@deborahjolie), dass sie niemanden außerhalb ihrer Kultur daten könne, weil sie dem anderen nicht erklären könne, warum sie Tonerde isst:

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