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Ein historischer Flug über die Alpen


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Dieses Foto entstand auf dem Rekordflug über die Alpen.

Dieses Foto entstand auf dem Rekordflug über die Alpen. © Kunz

Mit dem Gleitschirm durch die Lüfte fliegen: Das ist die große Leidenschaft von Markus Kunz. Vor einiger Zeit hat der Zahnarzt aus Bad Tölz den so genannten Brauneck-Rekord aufgestellt. Ein Platz in den Annalen der Szene ist ihm damit sicher. Und angefangen hat alles auf der Toilette.

Lenggries/Bad Tölz Vom Garlandhang am Brauneck über das Karwendel. Weiter nach Sölden und die Ötztaler-Alpen. Über das Timmelsjoch und tief verschneite Gletscher am Alpenhauptkamm bis nach Sterzing. Zurück über den Gerlospass bis zum Achensee: So – ganz grob skizziert – war die Flugstrecke, die Markus Kunz (42) mit seinem Gleitschirm zurücklegte. Ganz allein. Ausgerüstet nur mit einem Handy, dicken Klamotten, Übelkeitspillen, etwas Proviant und dem, was man im Gleitschirmjargon „Zu- und Ablauf“ nennt, also Schläuchen für Trinken und Urin.

Die Form seiner Route glich in etwa einem an einer Seite offenen Viereck. Flugzeit: 9 Stunden und 48 Minuten. Maximale Höhe: 4750 Meter. Temperatur: mitunter so niedrig, dass das Wasser im Trinkschlauch gefror. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch nie ein Gleitschirmflieger diese Strecke über das Gletschergebiet der Alpen und um die Einflugschneise des Innsbrucker Flughafens herum (die „controlled-traffic-region“; kurz CTR) gemeistert.

Aber der Reihe nach: Angefangen hat alles im Jahr 2001. Da fing der damals 26-jährige Kunz mit dem Gleitschirmfliegen an – und war sofort gepackt von einer tiefen Leidenschaft. „Dass man seine Flügel auf dem Rücken trägt, einfach losläuft und fliegen kann“: Das begeistert den Familienvater bis heute. „Man fliegt über die Berge drüber: Das ist so schön und entspannt wahnsinnig.“ Die wichtigste Regel dabei: immer 300 Meter unterhalb der Wolkendecke bleiben.

Die Grafik zeigt die zurückgelegte Strecke. In der Mitte sieht man das gesperrte CTR-Gebiet.

Die Grafik zeigt die zurückgelegte Strecke. In der Mitte sieht man das gesperrte CTR-Gebiet. © -

Bevor er heiratete und eine Familie gründete, flog Kunz nahezu jeden Tag. Zwei Jahre lang trainierte er für seinen Rekord: Studierte die Thermik so lange, dass er mittlerweile glaubt, die aufsteigenden Luftströme, die ihn weiter und weiter tragen, regelrecht sehen zu können. So, wie manche Menschen Farben hören oder Töne sehen.

Auf der heimischen Toilette hängte er sich ein großes Plakat mit den Alpengipfeln auf. Studierte es Tag für Tag, bis er alle Berge auswendig kannte und sich auch hoch droben in der Luft mühelos orientieren konnte. „Man verbringt ja viel Zeit auf dem Klo“, sagt er schmunzelnd.

Etwa 30 Versuche brauchte Kunz, bevor er den Brauneck-Rekord schaffte. Zusammen mit seinem Freund und Flug-Kollegen Marcel Dürr übte er das Übernachten im Gletscher ohne Schlafsack – für den Notfall. Und immer wieder musste er bei gescheiterten Versuchen irgendwo in den Alpen landen, weil die Thermik zusammenbrach. Für Kunz einfach nur herrlich. „Dann machte ich mir einen schönen Abend in den Bergen.“ Landen auch auf kleiner Fläche sei mit dem Gleitschirm kein Problem, der Schirm sei ein idealer Zeltersatz, und manchmal fand sich auch eine einsame Berghütte samt gefüllten Vorratsschränken. „Ich lebe nach dem Lust-Prinzip“, sagt der Tölzer. „Ich mache nur Sachen, die mir Spaß machen.“ Notlanden und Übernachten in der Einsamkeit gehöre da ganz klar dazu. Da könne er wunderbar für den Alltag auftanken.

Markus Kunz.

Markus Kunz. © -

Natürlich legte Kunz auch mal eine Bruchlandung hin – aber passiert ist ihm nie wirklich viel. Und den Rettungsfallschirm habe er überhaupt noch nie gebraucht. Und seine Frau? „Sie gönnt es mir“, versichert er.

An dem Tag, an dem ihm der Rekord gelang, habe er bis Sölden „grandiose Aussichten“ genossen. Auf der Alpensüdseite angekommen vergoss er Freudentränen, bevor ihn an den Dolomiten monströse Gewitterwolken kurzzeitig „leicht panisch“ werden ließen. Er flog tief über das Pfitscher Joch zurück auf die Alpen-Nordseite und durch das Zillertal. Er querte das Inntal und flog weiter zum Achensee. Dort war zwangsweise Schluss. Denn wenn die Sonne untergeht, bricht die Thermik zusammen.

Damit fehlt Kunz das letzte Stück zurück zum Brauneck um seine Runde zu schließen. Noch. Denn derzeit arbeiten er und Marcel Dürr daran, mit dem Gleitschirm schneller zu werden. Schneller als der Lauf der Sonne. Dass er irgendwann die komplette Runde schaffen wird, daran zweifelt Kunz nicht. 

Franziska Seliger

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Author: Brittany King

Last Updated: 1703898362

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